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Die Kühllastberechnung nach VDI 2078 erfolgt auf Basis einer definierten Hitzeperiode von 19 Tagen mit ansteigenden Temperaturen bis auf die maximale Auslegungstemperatur am eigentlichen Auslegungstag dem CDD (Cooling Design Day). Die Jahressimulation dagegen rechnet mit realitätsnahen Wetterverläufen eines ganzen Jahres, den stundenbasierten Testreferenzjahrdaten des Deutschen Wetterdienst (TRJ). Die Wetterdaten der TRJ unterscheiden sich deutlich von den solaren Strahlungswerten und Außentemperaturen zu den definierten Hitzeperioden der Kühllastberechnung (siehe Abb. 1a und 1b). Durch die unterschiedlichen Randbedingungen ergeben sich abweichende Ergebnisse der höchsten Kühllast zwischen der Kühllastberechnung und der Jahressimulation. Mit der Jahressimulation kann über die höchste Kühllast hinaus der Jahresenergiebedarf für Heizen und Kühlen sowie die größte Heiz- und Kühllast und deren Zeitpunkt berechnet werden. Außerdem liefert die Jahressimulation die Betriebsstunden der Heiz- und Kühlanlage für das gesamte Gebäude oder einzelne Räume.

Aus den Ergebnissen der Jahressimulation können unter anderem Heiz- und Kühlanlagen mit möglichst hoher Grund- und kleiner Spitzenlast ausgelegt werden. Diese Zusatzinformationen der Jahressimulation sind ohne Mehraufwand verfügbar, da beide Berechnungen mit den gleichen Einstellungen der inneren Lasten und Temperaturprofile erfolgen.

Beispielprojekt
Mithilfe eines Beispielprojekts sollen die Unterschiede der Ergebnisse aus Jahressimulation und dynamischer Kühllastberechnung verdeutlicht werden. Für den Vergleich wird ein Eck-Raum im zweiten Obergeschoss mit Süd-West-Ausrichtung betrachtet (siehe Abb. 2). Das Gebäude liegt in Aachen und die inneren Lasten entsprechen den Werten aus den vorherigen Teilen der Artikelserie und bleiben unverändert. In diesem Artikel werden die Faktoren Betriebsweise, Regelkonzepte und Wetterdaten als variable Parameter betrachtet. Mit der Variation dieser Parameter werden wiederholende Kühllastberechnungen durchgeführt und der Einfluss auf die Ergebnisse diskutiert.
 

Einfluss der Betriebszeit der Kälteanlage
Bei der Betrachtung der Betriebszeiten wird eine durchgängige Betriebszeit der Kälteanlage (24 h Betrieb an 7 Tagen pro Woche) mit einer reduzierten Betriebszeit (11 h Betrieb an den 5 Arbeitstagen) verglichen. Für beide Betriebszeiten werden eine Kühllastberechnung und eine Jahressimulation durchgeführt. Die Verläufe am Auslegungstag der Kühllastberechnung und des Tags mit der höchsten Kühlleistung aus der Jahressimulation sind in Abb. 3 dargestellt. Zusätzlich wird hier der Jahreskühlenergiebedarf der beiden Jahressimulationen angegeben. Die maximal benötigte Kühlleistung liegt jeweils beim „11h Betrieb“ vor. Dieses Verhalten ist vor allem auf die Speicherfähigkeit der Bauteile zurückzuführen. Beim „24h Betrieb“ werden die tagsüber gespeicherten solaren Einträge in der Nacht über die Kälteanlage abgeführt. Beim „11h Betrieb“ liegt die Temperatur der Bauteile zu Beginn der Betriebszeit höher und die Bauteile können über den Tag weniger Wärme speichern, was zu einer höheren Kühlleistung führt. Wenn parallel zu der maximalen Kühlleistung der Jahreskühlenergiebedarf aus der Jahressimulation betrachtet wird, ist zu erkennen, dass sich beim „11h Betrieb“ zwar höhere maximale Kühllasten ergeben, der Jahresenergiebedarf aber niedriger als bei dem „24h Betrieb“ ist. Die Betriebsdauer der Kühlanlage beeinflusst somit nicht nur die Kühllast, sondern auch den Jahresenergiebedarf. Eine Verlängerung der Betriebsdauer senkt die erforderliche maximale Kühlleistung und der Kühlenergiebedarf steigt. Dieser Einfluss nimmt mit zunehmender wirksamer Wärmespeicherfähigkeit zu.

Abb. 2
Abb. 2: Grundriss des Beispielgebäudes mit dem betrachteten Raum (türkis)

Einfluss des Regelkonzepts
In der VDI 2078 werden verschiedene Regelkonzepte für den Betrieb der Kühlanlage beschrieben. Es gibt Regelkonzepte mit konstanten oder außentemperaturgeführten Raumtemperaturen, des Weiteren gibt es Regelkonzepte mit einem Temperaturband, bei dem eine 2-Punkt- oder Proportional-Regelung genutzt werden kann. Wie groß der Einfluss der Regelkonzepte auf die erforderliche Kühlleistung und den Kühlenergiebedarf ist, wird nachfolgend anhand von vier Regelkonzepten veranschaulicht. Zu diesem Zweck werden die Höchstwerte aus Kühllastberechnung und Jahressimulation für den Eck-Raum beim „24h Betrieb“ berechnet. In Abb. 4 sind die Solltemperaturen der Regelkonzepte dargestellt. Das Regelkonzept A regelt den Raum auf eine konstante Raumtemperatur von 22 °C. Bei diesem Regelkonzept wird der Raum gekühlt, sobald die Raumtemperatur ohne Kühlung ansteigen würde, also wenn mehr Energie dem Raum zugeführt wird, als dieser abführen kann. Damit die Raumtemperatur immer konstant gehalten wird, wird der Raum auch direkt geheizt, wenn weniger Energie dem Raum zugeführt wird, als dieser über die Außenflächen abgibt. Beim Regelkonzept B wird ebenfalls eine konstante Raumtemperatur verwendet. Die Raumtemperatur ist dabei an die Außentemperatur geknüpft. Bis zu einer Außentemperatur von 26 °C wird wie im Regelkonzept B eine Raumtemperatur von 22 °C angewendet. Bei höheren Außentemperaturen wird die Raumtemperatur linear bis auf 26 °C angehoben. Die Regelkonzepte C und E sind 2-Punkt-Regelungen. Bei der 2-Punkt-Regelung wird ein Temperaturband definiert, in dem die Raumtemperatur schwanken darf. Das Temperaturband wird durch eine minimale und maximale Raumtemperatur beschrieben. Die Kühlung setzt ein, wenn die Raumtemperatur über die Maximaltemperatur steigen würde. Im Regelkonzept C ist die minimale Raumtemperatur bei 22 °C festgelegt und besitzt ein Temperaturband von 4 K, sodass der Raum ab einer Raumtemperatur von 26 °C gekühlt wird. Die minimale Raumtemperatur im Regelkonzept E ist wie beim Regelkonzept B an die Außentemperatur geknüpft. Anders als im Regelkonzept B steigt die Raumtemperatur im Regelkonzept E schon bei einer Außentemperatur von 18 °C an. Da die maximale Raumtemperatur ebenfalls bei 26 °C liegt, ist die Steigung der Raumtemperatur im Regelkonzept E geringer als im Regelkonzept B. Die Ergebnisse der Berechnungen der maximalen Kühlleistung sind in Abb. 5 und die des Jahreskühlenergiebedarfs in Abb. 6 dargestellt.
Wie schon bei den Betriebszeiten gezeigt, liegt auch bei den Regelkonzepten die maximale Kühlleistung in der Jahressimulation etwas höher als bei der Kühllastberechnung. Der Vergleich der Regelkonzepte zeigt, dass die höchste Kühlleistung beim Regelkonzept A benötigt wird. Diese reduziert sich bei Regelkonzept B und C und erreicht die niedrigste Kühllast bei Regelkonzept E. Den niedrigsten Jahresenergiebedarf fürs Kühlen benötigt hingegen das Regelkonzept C. Die Unterschiede aus den Regelkonzepten begründen sich durch die unterschiedliche maximal zugelassene Raumtemperatur und die Unterschiede in den Lastgängen.

Der größte Unterschied zwischen der Außentemperatur und der Raumtemperatur ergibt sich beim Regelkonzept A. Bei den außentemperaturgeführten Regelkonzepten B und E erhöht sich die Raumtemperatur am Nachmittag des Auslegungstags auf 26 °C und liegt dadurch höher als bei dem Regelkonzept A mit einer konstanten Temperatur von 22 °C. Durch die niedrigere Raumtemperatur wird bei dem Regelkonzept A die größte Kühlleistung benötigt. Die gleitende Raumtemperatur in Abhängigkeit von der Außentemperatur beeinflusst außerdem den Lastgang der Kühllast. Dieser unterscheidet sich deutlich gegenüber einem Lastgang mit einer konstanten Raumtemperatur. Um dieses zu verdeutlichen, werden die Lastgänge von beiden 2-Punkt-Regelkonzepten in Abb. 7 miteinander verglichen. Beim Regelkonzept C (Raumtemperatur konstant) steigt die Kühllast am Tag und die höchste Kühllast wird um 17 Uhr erreicht.

Dahingegen stellt sich beim Regelkonzept E (Raumtemperatur gleitend) die höchste Kühllast schon um 8 Uhr morgens ein. Aufgrund der steigenden Außentemperatur und der konstant bleibenden Innentemperatur wird bei den Regelkonzepten mit konstanter Raumtemperatur nachmittags die höchste Kühllast erreicht, da hier die Außentemperaturen am größten sind und die Wände sich über den Tag aufgeheizt haben. Beim Regelkonzept E dagegen ist die Raumtemperatur am Morgen am geringsten und noch bevor die direkte solare Strahlung den Raum erreicht (Fenster mit Süd- und West-Ausrichtung), steigt die Außentemperatur und dadurch auch die Raumsolltemperatur an. Die steigende Raumsolltemperatur kompensiert die steigenden solaren Erträge in dem Raum und die Kühllast sinkt über den Tag. Dass die maximale Kühllast beim Regelkonzept C mit der konstanten Raumtemperatur höher als beim Regelkonzept E liegt, ergibt sich aus den niedrigen Wandtemperaturen. Durch die niedrige Raumsolltemperatur in der Nacht haben die Wände am Morgen eine geringere Temperatur als beim Regelkonzept C, dieses ist vor allem an der höheren Kühlleistung während der Nacht zu erkennen. Durch die niedrigeren Wandtemperaturen sind die Wände in der Lage, am Tag, mehr Energie aufzunehmen und reduzieren die maximale Kühllast.

Durch die höhere Kühlung in der Nacht lässt sich auch erklären, dass der geringste Jahresenergiebedarf fürs Kühlen beim Regelkonzept C liegt, da bei diesem Regelkonzept immer die höchste Raumsolltemperatur zum Kühlen von 26 °C gilt.

Unterschiedliche Testreferenzjahre
Die für die Berechnung der Jahressimulation genutzten Testreferenzjahre (TRJ) basieren auf Wetterdaten, aus dem für jede Stunde des Jahres ein repräsentativer Wert ausgewählt wurde. Der Deutsche Wetterdienst stellt die TRJ für ganz Deutschland mit einer Auflösung von einem Quadratkilometer kostenlos zur Verfügung. Für jeden dieser Standorte sind sechs verschiedene Datensätze enthalten. Zum einen werden zwei Bezugszeiträume mitgeliefert. Die TRY-2015 beziehen sich auf Wetterdaten von 1995 bis 2012 und bilden die Gegenwart ab. Die zweite Bezugsperiode TRJ-2045 ist als Zukunftsprognose zu verstehen. Diese wird auf Basis von Wettermodellen ermittelt und repräsentiert den Zeitraum 2031 bis 2060. Für beide Bezugszeiträume werden TRJ für ein „Normales Jahr“, einen „Extremen Sommer“ und einen „Extremen Winter“ zur Verfügung gestellt. Das Normale Jahr der TRJ-2015 entspricht einem Mittel aller Jahre der ausgewählten Periode. Bei den Extremen-TRJ wird ein Jahr aus der Periode mit dem entsprechend wärmsten oder kältesten Halbjahr (Sommer: Apr.-Sep.; Winter: Okt.-Mär.) ausgewählt. Somit entsprechen die aktuellen extremen TRJ einem ausgewählten real zusammenhängenden Jahr und das normale Jahr wird aus einer Mittelwertbildung erstellt.

In Abb. 8 und Abb. 9 sind die Lasten und Jahresenergiebedarfe für Heizen und Kühlen der sechs TRJ-Daten dargestellt. Anders als man im ersten Moment erwartet, ergibt sich die höchste Kühllast im aktuellen extremen Sommer und nicht im extremen Sommer der Zukunftsprognose, auch die Kühllast des extremen Winters liegt über der Kühllast des normalen Jahres. Die Betrachtung des Jahresenergiebedarfs zum Kühlen entspricht wieder den Erwartungen, dass der extreme Sommer die meiste Energie zum Kühlen benötigt. Beim normalen Jahr steigen sowohl die Kühllast als auch der Energiebedarf fürs Kühlen von den aktuellen Werten zu der Zukunftsprognose. Die Ergebnisse fürs Heizen entsprechen ebenfalls den Erwartungen, dass die Heizlasten und der Energiebedarf in den Zukunftsprognosen geringer ist als bei den aktuellen TRJ. Des Weiteren fällt auf, dass das aktuelle normale Jahr vergleichbare Ergebnisse liefert wie der zukünftige extreme Winter.
Die beschriebenen Ergebnisse lassen sich bei einem genaueren Blick auf die Temperaturen der TRJ erklären. Für diese Betrachtung werden die einzelnen Stunden des Jahres aufsteigend nach der Temperatur sortiert, somit ergibt sich keine chronologische Darstellung, sondern der erste Wert entspricht der niedrigsten Temperatur und die letzte Stunde dem höchsten Wert des entsprechenden TRJ. In Abb. 10 sind die wärmsten Stunden des Jahres dargestellt. Die maximalen Temperaturen im aktuellen extremen Sommer liegen höher als bei der Zukunftsprognose, wodurch sich die höhere Kühllast begründen lässt. In einem Großteil der Zeit liegen die Temperaturen der Zukunftsprognose höher als beim aktuellen extremen Sommer, was zu dem höheren Jahresenergiebedarf fürs Kühlen führt. Beim normalen Jahr liegt die Zukunftsprognose ca. 1,5 K über dem des aktuellen normalen Jahres, ohne dass sich die Temperaturkurven schneiden. 

Bei der Betrachtung der niedrigsten Temperaturen im Jahr sind die Temperaturen des aktuellen normalen Jahres und des zukünftigen extremen Winters nahezu gleich (siehe Abb. 11), wodurch sich auch hier die vergleichbaren Ergebnisse der Heizlast und des Energiebedarfs fürs Heizen erklären. Sowohl bei den Zukunftsprognosen als auch bei den aktuellen TRJ liegen die niedrigsten Temperaturen in derselben Größenordnung bei ca. -7 °C. Die Anzahl der Stunden mit negativen Außentemperaturen beim zukünftigen normalen Jahr liegen nur noch bei rund einem Viertel gegenüber dem aktuellen extremen Winter mit ca. 960 Stunden. Aus der vergleichbaren tiefsten Außentemperatur bei den großen Unterschieden in der Anzahl der negativeren Außentemperaturen lässt sich erklären, dass die Unterschiede zwischen der maximalen Heizlast zwischen den TRJ geringer sind als beim Jahresernergiebedarf zum Heizen.

Abb. 10
Abb. 10: Vergleich der Außentemperturen der wärmsten Stunden in den TRJ

Zusammenfassung
Die Betrachtungen der Betriebsweise, der Regelkonzepte und der unterschiedlichen Testreferenzjahre zeigen die Unterschiede in den Ergebnissen und deren Ursachen zwischen einer Kühllastberechnung und einer Jahressimulation auf. Die definierte Hitzeperiode der Kühllastberechnung endet mit dem Auslegungstag und bei der Jahressimulation wird ein ganzes Jahr berechnet. Schon aufgrund der unterschiedlichen Wetterdaten in den betrachteten Zeiträumen ergeben sich unterschiedliche Ergebnisse. Die Vergleiche der berechneten Kühllast und der höchsten Kühlleistung in der Jahressimulation zeigen, dass sich bei der Jahressimulation in dem Beispiel durchgängig leicht höhere Leistungen ergeben. Die Unterschiede sind aber gering und liegen außer beim „11h Betrieb“ der Kälteanlage bei allen Betrachtungen unterhalb von 6 %. Ein viel größerer Einfluss hatte die Wahl von verschiedenen Anlagenbetriebsweisen, wie z. B. die Einstellungen für das Regelkonzept.

Aus allen Betrachtungen in diesem Artikel sollte ebenfalls hervorgehoben werden, dass bei dem Vergleich zwischen verschiedenen Anlagenkonzepten nicht nur auf die maximale Kühlleistung geachtet, sondern auch der Jahresenergiebedarf in die Beurteilung einbezogen werden sollte. Eine höhere Kühllast entspricht nicht direkt einem höheren Jahresenergiebedarf.

Da die Ergebnisse der Jahressimulation noch mehr Informationen liefern, die für eine gute Auslegung der Gebäudeanlagen genutzt werden können – und das ohne Erhöhung des Eingabeaufwands – sollte man vor allem beim Vergleich verschiedener Anlagenkonzepte die Jahressimulation zusätzlich nutzen.

Mit diesem Artikel zur Anwendung der Jahressimulation ist das vorläufige Ende der Artikelserie zur Kühllastberechnung erreicht. Beginnend mit der Entwicklung der Kühllastberechnung vom Tabellenverfahren aus den 1970ern zu dem aktuellen dynamischen Modell, über eine genauere Betrachtung des Einflusses der Eingaben bei den inneren und äußeren Lasten, haben die Artikel hoffentlich dazu beitragen können, den Einfluss der Randbedingungen und Eingabedaten auf die Ergebnisse einer Kühllastberechnung besser einschätzen und die Ergebnisse selber besser auf Plausibilität prüfen zu können.

Sollten Ihnen die vorhergehenden Artikel aus dieser Serie nicht mehr zur Verfügung stehen, finden Sie diese jederzeit in der Mediathek auf www.linear.eu.

Sahar Bayat, Dr. Peter Hollenbeck


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